Ausstellung: „REPRO. Reproduktives Entwerfen 2014-2020“ im Baukunstarchiv NRW

Seit Montag haben die meisten Museen wieder geöffnet und ich habe die Chance ergriffen und mir die Ausstellung „REPRO. Reproduktives Entwerfen 2014-2020“ im Baukunstarchiv NRW angesehen.
Gleich vorweg: Als Baukultur Interessierte aus dem Bereich Kunstgeschichte habe ich vom Entwerfen selbst absbsolut keine Ahnung. Umso gespannter war ich, ob die Ausstellung auch mich als Banausin erreicht und war überrascht: Ich habe ich mich gut abgeholt gefühlt und einige Fragen und Gedanken zum Mitnehmen gefunden. Aber dazu weiter unten mehr. Erstmal zum Begriff, denn ist „Reproduktives Entwerfen“ nicht eigentlich ein Widerspruch in sich?

Was ist Reproduktives Entwerfen?

„Reproduktives Entwerfen“ nennen die vier Architekten Georg Ebbing, Philipp Rentschler, Ulrich von Ey und Moritz Henkel ihre Arbeitsmethode, die von einer intensiven Auseinandersetzung mit historischen Vorlagen und deren gedanklichen Grundlagen geprägt ist. Dabei geht es nicht um eine direkte Kopie, sondern um einen feinsinnigen Eklektizismus, der das vorhandene neu dimensioniert und an die Tradition und an die Gegenbenheiten des neuen Ortes anpasst. Im Vordergrund steht eine stetige Erneuerung der Vorbilder ohne Festlegungen oder Tabus. Die Wertschätzung des architektonischen Bestandes wird somit zur Grundlage für die Reproduktion vorhandener Ideen in neuen Bauten. In einem Manifest fassten die vier Architekten 2014 ihre Thesen zum Reproduktiven Entwerfen zusammen und machten sie damit zur Grundlage ihrer Entwurfspraxis und universitären Lehre. Auf der gemeinsamen Homepage finden sich einige Beispiele dieser Entwürfe.

„Alles Vorhandene ist reproduzierbar.“

Reproduktives Entwerfen. Manifest

Aufbau und Ausstellungsdesign

Die Ausstellung beschränkt sich auf den Lichthof des Gebäudes, sie ist also sehr übersichtlich und schnell durchlaufen, trotzdem ist sie nicht eindimensional sondern bietet verschiedene Herangehensweisen und Perspektiven an.

Gezeigt werden Architekturbilder, die sowohl Referenzen als auch neue Entwürfe aus den Büros der vier Architekten zeigen oder Ergebnisse die im ihrer Lehr- und Forschungstätigkeiten entstanden. Den großformatigen Bildern sind kleiner zugeordnent, die das jeweilige Gegenstück zeigen. Der Zusammenhang zwischen Inspirationsquelle und neuer Architektur wird damit schnell deutlich. Einige der großen Bilder beziehen sich außerdem auch wieder aufeinander, so dass auch ein vergleichender Rundumblick lohnt. Im Mittelpunkt des Lichthofes stehen die acht wichtigsten Referenzgebäude als Pappaufsteller. Gemeinsam mit den ausgestellten Modellen ermöglichen sie eine dreidimensionale Betrachtung der Vorlagen.

Der Mix aus historischen Abbildungen, Zeichnungen und Fotografien von modernen Bauten wirkt lebendig und locker. Die immer wiederkehrenden, charakteristischen Gebäudeformen weben sich als gleichbleibende Muster ineinander, lassen den Besucher aber auch immer wieder vergleichen und Bezüge herstellen und leiten damit zu einer Entdeckungsreise an, so dass ein abwechslungsreiches Bild entsteht.

Eröffnung der Ausstellung „Repro 2014-2020“ im Baukunstarchiv NRW, 6. Februar 2020 Foto: Christine Kämmerer

Vermittlung

Juhu! Es gibt auch Vermittlung! Wie oben schon beschrieben, war ich etwas skeptisch ob ich mit dem Thema Entwerfen überhaupt warm werden kann. Doch einen Großteil der Ausstellungsfläche wird durch zwei breite Tische belegt, die zu zum entdecken und mitmachen einladen. Auf dem einen liegen Memory Karten aus, bei denen Bildpaare jeweils einen Entwurf und ein Vorbild zeigen. Hier kommt es noch einmal auf das ganz genaue Hinschauen und vergleichen an, denn manchen Bezüge sind nur angedeutet.
Auf dem anderen Tisch sind zwei Dortmunder Straßenzüge mit Baulücken aufgebaut. Daneben steht eine Auswahl an Gebäuden aus ganz anderem Konntext, die probeweise in die Baulücke eingesteckt werden können. Selbst auszuprobieren, wie sich das Straßenbild mit jedem Gebäude verändert, was Traufhöhen, Fassadengliederung und Dachlandschaften ausmachen, hat bei mir auf jeden Fall noch einmal ein kleines Aha-Erlebnis ausgelöst.

Das Baukunstarchiv

Und schließlich noch ein paar Worte zum Haus, denn das Baukunstrchiv NRW ist, als relativ junge Institution, vielleicht noch nicht allgemein bekannt. Es versteht sich als zentraler Sammlungsort für die Nachlässe bedeutsamer ArchitektInnen, InnenarchitektInnen, LandschaftsarchitektInnen, StadtplanerInnen und IngenieurInnen aus NRW. Neben dem Sammeln und Erforschen der Bestände, ging es den Initiatoren aber auch darum einen öffentlichen Ort für Baukultur zu schaffen. Mit dem ehemaligen Gebäude des Museum Ostwall in Dortmund hat sich dafür ein respektabler Ort gefunden. Allein der Lichthof, in dem seit Ende 2018 finden hier die Ausstellungen des Baukunstarchives, sowie verschiedenste Veranstaltungen stattfinden, ist einen Besucht wert!

Fazit

Eine gelungene kleine Ausstellung. Die abwechslungsreiche Gestaltung, die auch zum Mitmachen und Hingucken einlädt, macht die Ausstellung spannend, bringt aber gleichzeitig auch genug Struktur mit, um dem Besucher Orientierung zu bieten. Absolutes Plus sind die interatkiven Elemente, mit denen auch Banausen wie ich, einen Einstieg in das Thema finden!

Beim Thema Reproduktives Entwerfen bin ich noch unschlüssig mit der Einordnung. Ist Reproduktives Entwerfen für Architekten tatsächlich ein mögliches Mittel oder vielleicht schon heimliche Normalität? Hier werde ich mich defintiv noch einmal einlesen, denn die Anknüpfungspunkte in der öffentlichen Diskussion (Stichwort: „Humbold-Forum“ – auch wenn das vermutlich mehr Reproduktion, als reproduktives Entwerfen ist…) aber auch an die aktuelle Wiederentdeckung des Klassizismus in der kunstistorischen Forschung finde ich sehr spannend. Und nicht zuletzt frage ich mich auch, was macht es mit einer Gesellschaft, in der nur noch reproduziert wird? Und befinden wir uns nicht mit unseren aktuellen Gesellschaftstrukturen nicht eben schon genau an dem Punkt? Was passiert, wenn bestimmte Bauten oder auch ganze Epochen durch Abriss aus dem kulturellen Gedächtnis gelöscht werden und somit nicht mehr als Vorlage zur Verfügung stehen? Hier würden mich Eure Meinungen wirklich sehr interessieren und ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir mit einem Kommentar euren Blickwinkel auf das Thema zeigt.


Die Ausstellung im Überblick

REPRO. Reproduktives Entwerfen 2014-2020
verlängert bis 12.07.2020

Im Baukunstarchiv NRW
Ostwall 7, 44135 Dortmund
https://baukunstarchiv.nrw/

Öffnungszeiten:
Di-So 14:00-17:00 Uhr
Do 14:00-20:00 Uhr

Eintritt frei
Zur Ausstellung gibt es einen Publikation mit dem Titel „Reproduktives Entwerfen 2014-2020“ Herausgegeber: Georg Ebbing, Philipp Rentschler, Ulrich von Ey und Moritz Henkel



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